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Corona-Abitur - geht das?

Abitur in Corona-Zeiten? Wir haben 4 Abiturienten interviewt

VON: SANDRA RIEDEL | 27. April 2020

Abitur schreiben und das in Zeiten von Corona? Es sind verrückte Zeiten, in denen alles anders läuft als sonst. Die Corona-Pandemie zwingt zum Umdenken. Vieles kann nicht wie geplant stattfinden, nicht einmal das Abitur.

Während Hessen und Rheinland-Pfalz als einziges Bundesland die schriftlichen Abiturprüfungen bereits hinter sich haben, war für die Abiturienten der anderen Länder eine Zeit lang nicht sicher, ob das Abitur überhaupt in Zeiten von Corona stattfinden wird.

Das verbindliche Verschieben der Abschlussklausuren war nun das klare Nein der Kultusminister auf die immer lauter werdenden Forderungen nach einem Durchschnittsabitur in Zeiten von Corona. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß, doch eines haben die Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Abiturjahrgangs wohl gemeinsam: Die Unsicherheit.

Doch wie gehen sie mit der Situation um? Und was sagen die, die die schriftlichen Prüfungen schon hinter sich haben? Wir haben für euch mit derzeitigen Abiturientinnen und Abiturienten gesprochen und ein Stimmungsbild zum Corona-Abitur eingefangen.

Findet das Corona-Abitur überhaupt statt?

„Viele hören erst mal ‚Prüfungen fallen aus‘ und nehmen das natürlich gerne an“ beschreibt Franca die Reaktionen in ihrer Jahrgangsstufe, als es noch nicht sicher war, ob die Abiturprüfungen überhaupt stattfinden. Die Abiturientin ist Schülersprecherin an einem Gymnasium in Würzburg in Bayern und hat sich mit Nachdruck für die Durchführung der Prüfungen eingesetzt. Aus heutiger Sicht ein Gewinn für sie, denn die Abiturprüfungen finden statt.

Doch mit ihrer Überzeugung stand sie in letzter Zeit eher alleine da. Viele ihrer Mitschüler finden, es sei in der Corona Situation unmenschlich, Abitur zu schreiben.

Auch Jonas aus Nordrhein-Westfalen macht sich Gedanken, ob der Stress während der Prüfungsvorbereitung und dann in den Abiturprüfungen durch Covid-19 überhandnehmen könnte. Neben dem Lernen jobbt er im Supermarkt und greift seinen Großeltern unter die Arme. Nicht die besten Bedingungen für einen guten Lernprozess. „Wir sind gerade in der Vorbereitung, aber auch alle ein bisschen angespannt, weil wir ja nur zu Hause sind und nicht wirklich raus können. Und wir sind nicht gerade begeistert davon, dass wir unter solchen Umständen unser Abitur schreiben müssen. Da merkt man schon die Unruhe.“

Was war das mit dem Durchschnittsabitur überhaupt?

Während die Entscheidungsträger in Deutschland über den weiteren Weg des Bildungssystems diskutierten, rumorte es bei den Betroffenen. Viele Abiturientinnen und Abiturienten sprachen sich für das sogenannte Durchschnittsabitur aus, bei welchem die Abschlussprüfungen wegfallen würden und die Durchschnittsnote der bereits erbrachten Leistungen als Abiturnote gelten würde. Faulheit, meinen die einen. Notwendige Konsequenz aus den unzumutbaren Gegebenheiten, die die Corona-Krise mit sich brachte, so die Befürworter. Zurecht?

Franca gehört zu denen, die die Idee des Durchschnittsabiturs ablehnten: „Ich habe das Gefühl, es wurde fast ein bisschen instrumentalisiert. Es gibt diese zig Petitionen und Unterschriftensammelaktionen, wo die Leute versuchen, das Durchschnittsabitur durchzubringen.“ Am Ende sei alles nur Unüberlegtheit die dazu führe, dass man das Abitur als finale Prüfungsleistung nicht mehr vergleichen könne.

Jonas sieht das anders. Für ihn stellt die derzeitige Ausnahmesituation eine der größten Hürden dar. Unter diesen Umständen dann noch Klausuren zu schreiben, die relevant für die nächsten drei Jahre und somit für das weitere Leben sind, findet er unzumutbar.


Wie fürs Corona-Abitur lernen?

Wie soll man denn in Corona Zeiten noch fürs Abitur lernen?

Von einen Tag auf den anderen fand kein Unterricht mehr statt – Jonas erinnert sich an die letzten Schultag Mitte März: „Uns hat die Nachricht zunächst gar nicht erreicht. Irgendwann in der fünften, sechsten Stunde sprach sich dann rum, es könne unser letzter Schultag sein - wegen Corona.
Sobald wir zuhause waren, haben wir es dann erfahren: Jo, das war jetzt der Letzte.“ Ab da waren die zukünftigen Abiturienten dann auf sich allein gestellt. Zwar versuchten die Lehrer ihre Schüler so gut es ging zu unterstützen, doch hier haperte es eindeutig an der Erfahrung des deutschen Bildungssystems in Sachen Online-Learning und Homeschooling.

Der Unterricht der vergangenen Wochen stand dann mehr oder weniger unter dem Motto „do it yourself“. Francas Eindruck war, dass „die meisten Lehrer sich schon sehr viel Mühe geben, den Stoff auf allen Wegen gut zu vermitteln. Allgemein ist es aber natürlich besser, die Person im Unterrichtsgespräch zu sehen.“ Dazu kam, dass nicht nur die Art des Unterrichts als Präsenzveranstaltung wegfiel, sondern auch der zeitliche und räumliche Rahmen. Hier war Selbststruktur gefragt.

Sich selbst zum Lernen zu motivieren beschreibt Franca als eine der größten Herausforderungen: „Es ist natürlich doof, wenn man das Gefühl hat, man hat unendlich Zeit.“

Was sagen denn die, die das Abitur in der Corona-Krise schon geschrieben haben?

Die Sache mit der unendlichen Zeit zum Lernen und all die Diskussionen, was das Durchschnittsabitur angeht, scheinen die Abiturienten aus Hessen und Rheinland-Pfalz kaum betroffen zu haben. Auch dort wurde besprochen, ob das Abitur stattfinden soll oder ob es verschoben wird. Doch während in den anderen Bundesländern von den Abiturienten über etwaige Alternativpläne spekuliert wurde, saßen die Schülerinnen und Schüler aus Hessen, wie Timon und Franzi, bereits in ihren Abschlussprüfungen.

Timon beschreibt die Zeit der Ungewissheit davor als sehr nervig: „Man wusste während des Lernens irgendwie nicht, soll ich überhaupt weiterlernen, wenn das Abitur verschoben wird?“ Auch Franzi ging es ähnlich: „Ich hatte dazwischen auch aufgehört zu lernen, weil ich sicher war, dass es nicht geschrieben wird. Drei Tage vor meiner ersten Prüfung kam dann die Information, dass das Abitur doch geschrieben wird.“

Die Abiturientin aus Hessen schildert die Situation am Tag der ersten Prüfung als recht einschüchternd: „Man kommt in die Schule, niemand ist da, die Schule ist komplett leer. Man hat sich wie ein Verbrecher gefühlt, der extra her zitiert wurde.“ Überall standen Desinfektionsmittel herum, die Lehrer trugen Handschuhe, hielten Abstand, man durfte sich nicht mit den Mitschülern unterhalten. Während der Prüfung fühlte sich alles normal an. Was allerdings auffiel: Wer auf die Toilette musste, sollte sich doppelt die Hände waschen – einmal am Waschbecken auf der Toilette und ein zweites Mal, nachdem man den Prüfungsraum wieder betreten hatte. „Deshalb bin ich gar nicht zur Toilette gegangen, ich hab mich nicht getraut, um ehrlich zu sein“, grinst Franzi.

Eine ähnliche Szenerie erwartet Timon am Tag seiner ersten Abiturprüfung. „Die Klausur zu schreiben war relativ angenehm, weil es sehr leise war, es war ja niemand in der Schule.“ Nach der Prüfung lief die Organisation des Verlassens des Schulgebäudes allerdings nicht so gut, was zu einer Dreiviertelstunde Wartezeit führte, denn „der stellvertretende Schulleiter ist allein in jede Klasse gegangen und hat die Leute einzeln rausgeführt.“

Was Timon am meisten vermisst ist der Kontakt zu seinen Freunden. Wo sich sonst nach den Abiturprüfungen getroffen, gemeinsam auf das gemeisterte schriftliche Abitur angestoßen und über die Prüfung ausgetauscht wurde, gilt jetzt: Eineinhalb Meter Abstand halten und direkt wieder nach Hause fahren. Diese Extremform des Social-Distancing geht derzeit wohl allen Abiturienten und natürlich auch allen anderen Menschen nahe.

Sowohl der Abistreich, die Abipartys, teilweise die Abifahrt als auch der lang geplante und heiß ersehnte Abiball fallen dieses Jahr vorerst aus. Während letzterer als Großereignis vermutlich nachgeholt wird, müssen die Abiturienten 2020 auf die kleinen Dinge, die das Abitur mit sich bringt, leider verzichten. Aber daran versuchen sie gerade nicht zu denken. Timon ist motiviert: „Wenn alles vorbei ist, vielleicht nächstes Jahr, geht’s dafür halt richtig ab“.


Tipps fürs Abitur in der Corona-Zeit

3 Tipps für alle, die das Abitur in der Corona-Zeit noch vor sich haben:

  • Dranbleiben! Den Lernstoff durchziehen müsst ihr sowieso.
  • Für Abwechslung sorgen! Wenn ihr die ganze Zeit nur büffelt, ist klar, dass Kopf und Körper am Ende vom Tag überanstrengt sind und ihr euch nicht motivieren könnt, weiter zu lernen. Stattdessen jeden Tag ein bisschen was machen, euch ablenken, rausgehen, so gut es geht euren Hobbys nachgehen.
  • Einen Alltag schaffen! Wenn ihr euch feste Lernzeiten setzt und eine Routine entwickelt, fällt es euch leichter, diese einzuhalten.

Das GRADDY-Team wünscht allen viel Erfolg beim (Corona-)Abitur, ob nur noch mündlich oder auch noch schriftlich und vor allem: Gutes Durchhaltevermögen!

Ein riesiges Dankeschön gilt Franca, Franzi, Jonas und Timon, die sich zum Corona-Abitur von Sandra interviewen ließen. Viel Erfolg euch beim (mündlichen) Abi!